Konzert in der Jerusalem-Kirche

Endlich wieder ein Besuch von „vocal total“, dem Eltern-Lehrer-Chor der Julius-Leber-Schule unter der Leitung von Georg Lange! Die Zuhörer in unserer proppevollen Kirche warteten gespannt auf den Auftritt des Chores, auf den wir uns alle schon seit Wochen gefreut hatten. Und wir wurden natürlich nicht enttäuscht. Die Sänger:innen überraschten uns mit neuen Arrangements zum Teil altbekannter Lieder und Songs. Und ein Großteil der Stücke wurde, wie wir es schon von früheren Auftritten kannten, a-capella vorgetragen.

Gleich mit dem ersten Stück zeigten die Gäste, was sie so alles „draufhaben“. Es war das Volkslied „Kein schöner Land in dieser Zeit“. Aber nein, es war nicht der altbekannte, nicht mehr in unsere Zeit passende Satz, sondern eine Komposition von Herrn Gies von 2019, in der der nationale Bezug durch einen Einbezug des globalen Südens ersetzt worden war, dadurch, dass die Stimmen zunächst in Kisuaheli begannen und das Deutsche erst viel später mit dem afrikanischen Text verwoben wurde. Auch die Musik bestand zu einem großen Anteil aus afrikanischen Klängen, in die die bekannte Melodie hineingesetzt wurde in der Art eines Quodlibets. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die der Chor aber hervorragend meisterte. So begann der Abend. Mit diesem „Knaller“. Und so waren dann auch der Applaus und die Begeisterung entsprechend groß.

Es folgten ein argentinisches Liebeslied aus der Zeit der Militärjunta, das auch von der Befreiung aus der Diktatur handelt, und ein interessantes Neu-Arrangement wieder von Herrn Gies aus dem Jahre 2022, das den Titelsong des Films „Harold and Maude“ recyclete. Ein fröhliches Stück! „Kleiner grauer Falter“ (Gies, 2013) fragt nach dem Lebensmotto des Nachtfalters, welcher immer zum Licht drängt und dabei doch nur Gefahr läuft, in der Kerze zu verbrennen. Die Musik ist so gestaltet, dass man sich das zarte Gebilde dieses Tieres so richtig gut vorstellen konnte: tum, tum, tum, tum. Ganz filigran! Hingegen wird die Nachtigall, die am Berkeley Square zu einem ersten Date eines frisch verliebten Paares trällert, in einem jazzigen Stück mit vielen schönen, schrägen Reibungen dargestellt. Ein zu seiner Entstehungszeit (1939) modernes Stück. Ein kirchenmusikalischer Satz aus dem Jahre 1905 schloss sich an, „Beati Quorum Via“ von Herrn Stanford, und „Gabriellas sang“ aus Schweden für Frauenchor mit Klavierbegleitung durch Hans Jünger führte in die Pause.

Den zweiten Teil des Abends eröffnete das Duo Juliane (Sopran) und Dirk Möller (Gitarre) mit Stücken aus Spanien und Mexico: „Canción del Olvido“ (1916), das bekannte „Bésame mucho“ (1941), „Anda, jaleo“ (1931) und „Sevillanas del Siglo VIII“ (1922), die letzten beiden von García Lorca getextet. „Anda, jaleo“, ursprünglich ein Jagdlied, wurde nach dem frühen Tod Lorcas im spanischen Bürgerkrieg schnell zu einem Kampflied, ja, regelrecht zu einer Hymne der republikanischen Truppen gegen die faschistische Falange Francos. Danach die „Sevillanas“, genauso, wie man sich Flamenco vorstellt mit seinen punktierten und asymptotischen Rhythmen und der schönen Energie, die sie freisetzen und die einen einfach mitreißen. Ein tolles Stück!

Dann wieder der Chor. Im Wesentlichen mit Klavierbegleitung: das bekannte „Hallelujah“ von Leonard Cohen, der Song „Shenandoah“, den viele von uns schon als Jugendliche im Englischunterricht gesungen haben, dann ein Werk zum Mitsingen: „Look at the World“ von Rutter, gefolgt von einem Chorsatz, der extrem langsam wiedergegeben wird, „Sing gently“ (Eric Witacre, 2020), und daher eine große Aufgabe für alle Sänger:innen bedeutet, die sie aber wieder problemlos meisterten. Danach: Überraschung! Ein kurzer Satz aus einer Messe von Rheinberger (1882), schöne romantische Chormusik. Das Konzert wird beendet, quasi wie es begann: nochmals mit einem Arrangement von Herrn Gies, „Music“ (2005). Eine a-capella-Version mit interessanten Wendungen, sicherlich nicht ganz einfach zu singen, aber der Chor gibt alles, und ja, es ist ein echter „Rausschmeißer“. Alle, wirklich alle sind vollauf begeistert. Es folgt langanhaltender Applaus für dieses vielseitige und unterhaltsame Programm, das uns nicht ohne Zugabe uns selbst überlässt, denn passend zum Aufführungsort beschließt „Jerusalem“ den so bewegenden Abend.

Germaine Paetau (Jerusalem-Gemeindebrief Nr. 3/2025, Juni – August 2025, S. 16f.)

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